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Eine Jugendstil-Ikone
Dabei handelt es sich nicht um irgendein Bauwerk. 1906/1907 wurde es nach den Entwürfen August Endells als vornehmes Wohnhaus direkt am noblen Charlottenburger Steinplatz errichtet. Endell ist nicht irgendwer. Der gebürtige Berliner, der sich selbst wegen seiner vielfältigen Tätigkeiten als Designer, Lehrer und Schriftsteller lieber als „Formkünstler“ denn als Architekt bezeichnete, gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des Jugendstils. Seine expressionistischen frühen Bauten wie das Münchener Fotostudio Elvira oder das Berliner Wolzogen-Theater setzten erstmalig Bauprinzipien um, die sich einzig aus dem fantasiereichen, lustvollen Spiel abstrakter Formen ergaben und nicht wie bis allein lokalen oder nationalen Traditionen entstammten. So ist es kein Wunder, dass sich kaum eine Abhandlung zu dieser Kunstepoche finden, die Endells Konventionen brechende Werke nicht entsprechend würdigt.
Oft vergessen wird jedoch, dass Endell auch innerhalb der Evolution der modernen Architektur eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte. Sein Beitrag hierzu wird unter Experten mitunter sogar als noch wesentlicher eingeschätzt als für den Jugendstil – so auch vom prominenten britischen Kunst- und Architekturhistoriker Niklaus Pevsner. Der bezieht sich bei seiner Einschätzung auf die zwischen 1905 und 1914 von Endell gefertigten Entwürfe für Berliner Stadtvillen und Miethäuser, die sich durch eine damals geradezu revolutionäre funktionale Sachlichkeit auszeichnen – ohne auf eine feine Gestaltung der Fassaden zu verzichten. Wenige sorgfältig platzierte, streng geometrische Stuckornamente im Zusammenspiel mit einzelnen Erkern und variierenden Fensterformen verleihen diesen Bauten eine ausgewogene, gleichwohl jedoch höchst spannungs- und charaktervolle Struktur.

Foto: Matti Blume
Steine die Geschichten erzählen
Aber es ist nicht allein die elegante Architektur, die dieses Gebäude zu einem wertvollen Denkmal macht. Es ist auch seine bewegte „Lebensgeschichte“. Typisch für Berlin ist sie voller Höhen und Tiefen, fundamentaler Brüche und Neuanfänge. Wie bereits erwähnt wurde das Haus ursprünglich als Mietshaus entworfen – mit luxuriösen 10-Zimmer-Etagen-Wohnungen in bester Charlottenburger Lage. 1916 aber erwarb der Berliner Bankier Max Zellermeyer das Gebäude und ließ es zum Hotel umbauen. Bald schon gehörte seine „Pension am Steinplatz“ zu den ersten Adressen der Hauptstadt und brauchte den Vergleich mit dem viel größeren Adlon kaum zu scheuen.

Die Nazis setzten dem erfolgreichen Hotelbetrieb ein brüskes Ende. Schon 1933 trieb die Gestapo Max Zellermayer, der eine jüdische Mutter hatte, in den Tod. Sieben Jahre später beschlagnahmten die Hitlers Schergen das Hotel endgültig. Als Nazi-Admiral Karl Dönitz dort im März 1943 sein Hauptquartier einrichtete, stand das Haus plötzlich mitten im Zentrum des Kriegsgeschehens. Neun Monate lang schickte der Befehlshaber der U-Boote (BdU) vom Steinplatz aus seine grauen Wölfe gegen „Engeland“. Als der alliierte Bombenhagel zunahm, floh der „tapfere“ Dönitz mit seinem Stab nach Bernau. Endells Meisterwerk dagegen konnte nicht entkommen und wurde durch Fliegerangriffe stark beschädigt.

Mit der Eröffnung des neuen Hiltons an der Budapester Straße und der Errichtung weiterer Luxushotels ähnlichen Formats begann der wirtschaftliche Niedergang des „Hotels am Steinplatz“. Gegen die modernen Hotelkomplexe konnten sich die Zellermayers letztlich nicht behaupten, in den 1970er musste man die Pforten an Steinplatz und Uhlandstraße endgültig schließen. Das Haus wurde verpachtet, ein Seniorenheim zog ein.

Foto: Sven Hoch
Verkauf und Verfall
2006 dann eine harte Zäsur. In jenem Jahr kaufte die Hotelgruppe des israelischen Unternehmers David Fattal das Gebäude. Die erwarb damals viele Objekte in Deutschland. Man sei aber kein Spekulant, betonte man. Für 15 Millionen Euro – so der Newsletter der israelischen Botschaft vom 22.06.2006 – wolle Fattal das einstige Hotel am Steinplatz wieder zum Fünf-Sterne-Haus machen. Die Senioren mussten das Haus noch im gleichen Jahr räumen, kurz darauf begannen Entkernungsarbeiten. Die gerieten bald ins Stocken. Dann passierte lange Zeit gar nichts mehr. Erst im letzten Jahr zog man ein Gerüst an der Außenfassade hoch – doch außer den Gerüstarbeitern habe ich dort noch nie jemanden gesehen. Ein Alibi-Gerüst, um Sanierungsarbeiten vorzutäuschen? Oder um die fortschreitenden Schäden an der Fassade zu verbergen?

Foto: Sven Hoch
Wie viel oder besser wie wenig Wertschätzung die heutigen Eigentümer – wer auch immer das sein mag – der außergewöhnlichen Architektur und Geschichte dieses Hauses entgegenbringen, läßt sich jedenfalls an dem fast täglich zunehmenden Schädigungsgrad des ornamentgesäumten Eingangsportals oder der mittlerweile in weiten Teilen zerstörten Vorgartenmauer ziemlich genau ablesen. Auch zerstörte Dachfenster, bröckelnder Putz und die zerschlagenen Stuckornamente geben sicheren Aufschluss über den entwürdigenden Umgang mit dem Erbe Endells.

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Foto: Sven Hoch
Von dessen Bauwerken sind eh kaum noch welche erhalten – zerstört von fanatischen Nazis (Fotostudio Elvira), dem Krieg (z.B. Wolzogen-Theater) oder der immer wieder mortalen Kombination aus allgemeinem Desinteresse, behördlicher Ignoranz und rücksichtlos durchgesetzten Interessen einzelner Unternehmen (Gmelin-Sanatorium in Wyk auf Föhr). Umso wichtiger ist es, die wenigen noch vorhandenen Arbeiten August Endells zu würdigen und zu schützen. Was die Frage aufkommen lässt: Was unternimmt eigentlich die zuständige Denkmalschutzbehörde? Der Erhalt eines solch herausragenden Baudenkmals müsste doch oberste Priorität haben. Warum geschieht dann nichts? Vogelstrauß-Verhalten – Kopf in den Sand, nichts sehen, nichts hören, nichts riechen, nichts wissen, nichts entscheiden?
Fast könnte man einen solchen Eindruck bekommen. Ich kann mir jedenfalls kaum vorstellen, dass ein verantwortlicher Mitarbeiter der für Denkmalschutz zuständigen Fachabteilung im Stadplanungs- und Vermessungsamt des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf in den letzten Jahren einen Blick auf das Haus „Uhlandstraße 197 / Steinplatz 4“ geworfen hat. Wie sonst ist es denn zu erklären, dass in der erst am 01.09.2010 veröffentlichten Denkmalliste Berlin zu dem darin unter der Nummer 09096445 aufgeführten ehemaligen Hotel am Steinplatz notiert ist: „Mietshaus, später Hotel. Heute Seniorenheim“? Seniorenheim? Das gibt es schon seit vier Jahren nicht mehr, meine Damen und Herren vom Denkmalschutz. Damals ausgezogen aus einem intakten Gebäude, dass heute auf dem besten Wege ist, zu einer Ruine zu mutieren.
Ohne Frage muss dieses Haus als Zeugnis der außergewöhnlichen Schaffenskraft August Endells und als lebendiger Teil der Berliner Stadtgeschichte erhalten werden. Möglicherweise Ignoranz und Egomanie in so einem Fall den Vortritt lassen geht gar nicht. Jetzt geht es um zügiges, entschlossenes und verantwortungsvolles Handeln. Das gilt für die zuständigen Behörden, vor allem aber für die Eigentümer des Hauses. Die sind nun in der Pflicht. Nicht nur gesetzlich, sondern auch moralisch. Bleibt nur zu hoffen, dass man noch weiss, was letzteres bedeutet!
Lesetipps und weitere Posts zu August Endell:
„Spuren eines Architektosophen“ – Berliner Spuren des Jugendstil-Architekten und Formkünstlers August Endell
Hallo! Danke für diesen interessanten Bericht samt Fotos. Gibt es auch Bilder vom früheren Dach? Die würden mich sehr interessieren, denn das neue Dach scheint sehr klotzig zu werden. Danke.
(Hier ein Bild der Planung zur Veranschaulichung: http://www.abload.de/img/steinplatz030eeln.jpg )
Das habe ich auch schon einmal gehört, unglaublich das ganze
Stimmt. Aber mittlerweile hat das Gebäude einen neuen Eigentümer. Auch der möchte es zum Hotel umbauen. Und jetzt wird seit einigen Wochen tatsächlich eifrig entkernt. Siehe auch meinen Post dazu unter http://www.wohnmal.info/stadt-architektur/hotel-am-steinplatz-sanierung/
Viele Grüße
Sven Hoch
Und Schwupps in den RSS-Feed übernommen.. Viele Grüße aus Berlin Matthias