„Jetzt wurde das Bauwerk des Ausnahme-Architekten Endell wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zugeführt. Zu seinem 100-jährigen Jubiläum „, jubiliert das auf Hotelprojekte spezialisierte Berliner Unternehmen DSH GmbH auf seiner Website, „wurde das Haus am Steinplatz als Boutique-Hotel unter der Marke Marriott Autograph eröffnet.“ Etwas voreilig, denn ganz soweit – das sollte die DSH als Generalübernehmer für dieses Bauvorhaben eigentlich wissen – ist es leider noch nicht. Die Arbeiten an dem denkmalgeschützten Gebäude sind noch immer im vollen Gange. U.a. wird noch an Zu- und Ableitungen und der Abdichtung der Tiefgarage gearbeitet, die Stuck- und Putzarbeiten an der Fassade sind unvollendet und auch der Innenausbau ist noch nicht abgeschlossen.
Voraussichtlich erst im Herbst 2013 wird das wiedererstandene Hotel am Steinplatz die Pforten öffnen. Mit dann einem Jahr Verzögerung gegenüber dem ursprünglich kommunizierten Eröffnungstermin liegt man für Berliner Verhältnisse aber immer noch ganz gut in der Zeit. Insgesamt 87 Zimmer und Suiten, Restaurant und ein großzügiger Lobby-, Lounge- & Bar-Bereich werden anspruchsvolle Gäste in dem historischen Haus vorfinden. Mit der Marriott-Gruppe und deren auf individuelle Luxushotels spezialisierten Ableger „Autograph Hotels“ ist ein solventer und erfahrener Betreiber gefunden.
Vorbildliche Fassadenrestaurierung …
Es ist schön, in Berlin ein architektonisch so einzigartiges und wertvolles Gebäude bald wieder in saniertem Zustand zu sehen. Schon jetzt lässt sich erahnen, dass die denkmalgerechte Wiederherstellung der Fassade wohl recht gut gelingen wird, wenn auch noch nicht alle Ornamente restauriert wurden und die olivgrüne Fassadenfarbe fehlt. Ästhetisch und funktional hervorragend gelöst finde ich insbesondere die Planungen für den neuen Haupteingang, der zwischen den beiden bisherigen Zugängen am Steinplatz bzw. in der Uhlandstraße geschaffen werden soll. Ein extravagantes Vordach nimmt dort das so lustvolle Spiel des Endellschen Jugendstils mit seinen abstrakten, geschwungenen Formen gekonnt auf – zumindest in den Visualisierungen der Architekten, denn errichtet worden ist es noch nicht. Auch die Tiefgaragenzufahrt scheint sich recht elegant – wenn man das in diesem Zusammenhang überhaupt sagen kann – in die Fassade einzufügen. Wirklich gespannt bin ich auf die Gestaltung des Hofes und der Innenräume, denn bis auf eine Handvoll vielversprechender Computergrafiken ist mir hierüber wenig bekannt.
… aber unansehnliches Dach
Nicht überzeugend ist die neue Dachkonstruktion. Im Dachraum soll u.a. der großzügig ausgelegte Spa-Bereich des Hotels untergebracht werden. Um den dafür vermeintlich benötigten Raum zu schaffen, ist das neue Dach viel steiler und höher ausgeführt als das ursprüngliche. Form und Dimensionen der neuen Konstruktion wollen so gar nicht zum Rest des Bauwerks passen. Geht man die Uhlandstraße von der Kantstraße hinauf zum Steinplatz, verbinden sich die massiven, eng gesetzten Rechtecke der Gauben in der unteren Dachebene optisch gar zu einem seltsam anmutenden fünften Obergeschoss. Schaut man vom Steinplatz aus Richtung Uhlandstraße, scheint das neue Dach neue Dach das Gebäude fast erdrücken zu wollen. Keine Frage, diese klobig wirkende Dachkonstruktion stört das ursprünglich so ausgewogen gestaltete, formvollendete Erscheinungsbild des Hauses am Steinplatz empfindlich – zumindest in meinen Augen.
Wie konnte diese Dachausführung das OK der Denkmalschutzbehörde erhalten? Klar, es müssen i.d.R. Kompromisse gefunden werden zwischen Belangen des Denkmalschutzes und einer Gestaltung, die eine zeitgemäße und wirtschaftliche Nutzung des jeweiligen Bauwerks ermöglicht. Auf den ersten Blick scheint hier jedoch der Denkmalschutz vor den Interessen der Bauherren und Investoren kapituliert zu haben. Einzige für mich plausible Erklärung: nur die Fassade des Hauses steht unter Denkmalschutz, das Dach selbst nicht. Es gilt als Neubau – mit entsprechenden Freiheiten in der Gestaltung. Einen attraktiven Spa-Bereich hätte man meiner Meinung nach dennoch auch mit einer anderen, deutlich zurückhaltenderen Dachgestaltung schaffen können. Schade, denn so bleibt bei aller Freude über die (überfällige) Restaurierung und Instandsetzung eines der bedeutendsten Baudenkmäler des Berliner Jugendstils ein schaler Beigeschmack.
Lesetipps / weitere Posts zum Hotel am Steinplatz bzw. zu August Endell:
„Endells entwürdigtes Erbe“
„Auf den Spuren eines Architektosophen“